Review: Arcania: Gothic 4

Wenige Wochen bevor das sehnsüchtig erwartete Rollenspiel Arcania: Gothic 4 seinen Weg in die Händlerregale fand, veröffentlichten Publisher Jowood und Entwickler Spellbound eine Demoversion des Spiels. Diese spaltete die Gemüter. Während nur wenige Gothic-Fans die Veränderungen guthießen, erntete das Spiel vor allem unter Rollenspielneulingen Lob.

Wer hofft, in Arcania: Gothic 4 erneut in die Rolle des einstmals namenlosen Helden zu schlüpfen, wird enttäuscht. Anstatt den in Gothic 3: Götterdämmerung frisch gekrönten König Rhobar III zu steuern, befehligen wir im neuesten Teil der Reihe einen gänzlich neuen Helden. Schafe hütend weiß er noch nichts von seinem bevorstehenden Schicksal, als Freundin Ivy ihm ausrichtet, er möge doch bitte bei ihrem Vater Gromar vorstehen. Der Mann ist sichtlich aufgebracht und möchte nicht, dass unser Held zu viel Zeit mit seiner Tochter verbringen soll. In diesem Moment gesteht der Namenlose, dass er Ivy heiraten möchte. Es kommt, wie es kommen musste. Gromar schickt den Helden quer über die Insel, lässt ihn drei Aufgaben bestehen, die geschickt miteinander kombiniert sind. Es möchten Molerats ins virtuelle Nirwana verbannt, wildlebende Hirsche erlegt, Pilze gesammelt und Gothic-Urgestein Diego von der kleinen Startinsel Feshyr vertrieben werden.

Rachefeldzug

Als wir erfahren, dass unsere Geliebte Nachwuchs erwartet, nimmt das Familiendrama seinen Lauf mit ungeahnten Wendungen. Bevor Ivy nicht mehr in der körperlichen Verfassung sei, möchte sie noch einmal ein Abenteuer erleben. Am besten noch auf der Nachbarinsel Argaan, wo derzeit der Krieg zwischen Setariffern und den Streitkräften Myrtanas stattfindet. Um unsere zukünftig Anvertraute nicht zu enttäuschen, verabreden wir uns mit Diego, der uns für einen kleinen Gefallen mit nach Argaan nehmen möchte. Wir sollen doch bitte ein Päckchen voller Kräuter zur Hexe Lyrca im benachbarten Dunkelwald liefern. Der Botengang endet anders als erwartet. Nicht nur, dass die ältere Dame behauptet, wir seien nicht auf Feshyr geboren, sie versetzt uns außerdem in einen Traum. Einen Augenblick später wachen wir in einer dunklen Höhle auf, die es zu erforschen gilt. Wenige Minuten später und ein paar Ausgeburten der Hölle weniger stürzt vor unseren Augen eine Höhlenwand ein und gibt den Blick auf das nun brennende Dorf preis. Der Held muss mit ansehen, wie die Dorfbewohner von der Übermacht der myrtanischen Paladine abgeschlachtet werden. Der Held trauert um seine Liebsten und Freund Diego nimmt sich des jungen Burschen an, doch dieser hat nur Gedanken an Rache. Er will König Rhobar III für dessen Taten verantwortlich machen und seinen Blutdurst stillen.

Inselfieber

Nach der kurzen und recht angenehmen Einarbeitungsphase auf Feshyr, landen wir einen weiteren Augenblick später auf Argaan. Diego vertröstet uns damit, dass wir einen alten Tempel aufspüren sollen. Dort soll sich ein geweihter Amboss befinden, welcher es dem König ermöglichen wird, eine mächtige Waffe zu fertigen. So würden wir an der nötigen Erfahrung gewinnen und würden unserem Feind zugleich einen auswichen. Während Diego mit seinem Boot weiter zur Stadt Stewark segelt, sollen wir uns im Gasthaus „Zur gespalteten Jungfrau“ nach Informationen umhören. Dort erfahren wir auch schon das Problem der Gemeinde – sie ist vom Rest der Außenwelt abgeschnitten. Der einzige Weg führt über eine Brücke, doch diese wird von Banditen belagert. Es folgen weitere spielwichtige Aufgaben, die fast allesamt erfüllt werden möchten, denn Nebenaufgaben sind rar gesät. Einen alternativen Weg über die Brücke finden wir nicht. Der Held kann nicht schwimmen und Versuche über die Gebirgskette zu entkommen schlagen fehl – unser Alter Ego rutscht an den einfachsten Erhöhungen ab oder kämpft gegen unsichtbare Mauern an.

Auftragskiller

Das Spiel treibt uns immer wieder auf den einzigen Lösungsweg, der von den Entwicklern vorgesehen ist. Auch bei den uns gestellten Aufgaben gibt es nur wenig Spielraum. Bestes Beispiel ist wohl folgendes: Um ins Sanktum auf dem großen Baum Tooshoo vorgelassen zu werden, müssen wir Vorarbeit in Form eines Wetter beeinflussenden Auftrags leisten. Wir müssen eine bestimmte Statue in den umliegenden Ruinen finden und auf einen Sockel nahe einem eingestürzten Tempel stellen, welche uns daraufhin einmalig das Wetter wählen lässt. Während die Wassermagierin darum bittet, dass wir uns Regen wünschen, damit die Untergrundwerkstatt eines Schwarzmagiers überflutet wird, wünscht sich der Betroffene natürlich heiteren Sonnenschein. Egal für welchen Weg wir uns auch entscheiden, er führt zu demselben Ziel, wo die Handlung auf dem gleichen Strang weiter erzählt wird. Grundsätzlich sind solche kleinen Abweichungen lobenswert, doch vermissen wir diese bei fast jeder Aufgabe. Schade ist auch, dass wir mit voranschreitender Spielzeit auf immer weniger Neben-Quests stoßen. Dafür können wir mehr Zeit in die Haupthandlung investieren, die besonders im letzten Spieldrittel deutlich besser und interessanter erzählt wird.

Sinnfreie Dialoge

Hin und wieder stoßen wir auch auf bekannte Charaktere der Gothic-Welt, wie beispielsweise Gorn, Lester oder Milten. Die Inhalte der Konversationen sind durchgehend akzeptabel, hätten aber deutlich besser ausfallen können. So erfahren wir zu Beginn des Spiels nur wenig über den mit einer dunklen Krankheit befallenen König. Auch Informationen über den Rest der Spielwelt sind selten zu vernehmen, was sich aber gegen Ende des Spiels ändert. Dort wird die Handlung größtenteils nur durch die Hauptfiguren vorangetrieben, was der sonst eher angestaubten Atmosphäre zugute kommt. Der namenlose Held trifft selbstverständlich auch auf neue Gesichter, wie das der Waldläuferin Jilvie. Diese kommen aber nicht im Entferntesten an das Niveau von Diego und Konsorten heran. Einzig allein der ruppige Rauter, der mit seinem „richtig?“ an vielen Satzenden für Sympathie sorgt, hat uns wirklich gut gefallen. Weitere Nebencharaktere wie Wirte, Händler und unbedeutende Krieger erzählen nur wenig über das Leben und weisen meist nur auf Relevantes hin. Das ist schade und kostet dem Spiel Punkte in Sachen Atmosphäre und Glaubhaftigkeit.

Angriff der Klonkrieger

Wenn man so durch die verwinkelten Gassen von Stewark schlendert, fallen einem zwei Dinge auf. Die Stadt ist groß und die Bevölkerungsdichte ist gering. Nur alle hundert Meter stößt man mal über ein, zwei Wachleute, einem Händler oder jemanden vom gemeinen Volk. Man könnte dies vielleicht so erklären, dass einige Stadtbewohner sich verpflichteten und in den Krieg gezogen sind, aber halt – das würde keinen Sinn ergeben, wie wir nach Abschluss der Quest-Reihe in Stewark erfahren werden. Lustigerweise scheinen es auf Argaan nur wenige Familien zu geben, die vorzugsweise Zwillinge, Drillinge oder gar Siebenlinge groß gezogen haben. So stoßen wir beispielsweise außerhalb von Stewark auf den Lehrling eines Alchemisten, der einem Jungen im Kloster etliche Spielstunden später ähnelt. Könnte man dies im geringen Maße noch mit weit entfernten Verwandten erklären, dürften den Entwicklern spätestens nach unserem Besuch im Ort Schwarzwasser keine Ausreden mehr auf Lager haben.

Diabolisches Todklicken


Anfangs hat uns das Kampfsystem noch sehr gut gefallen. Sobald uns die Feinde bemerken, greifen sie uns umgehend an. Über die linke Maustaste führen wir einen Schlag aus und mit Hilfe der rechten Maustaste weichen wir Angriffen gekonnt aus – oder wir wehren Attacken ab, während wir die rechte Maustaste gedrückt halten. Sobald wir aber eine bestimmte Fähigkeit im Spiel erlangt haben, können wir unendlich viele Schläge hintereinander ausführen. Dumm nur, dass sich ein Gegner während eines Schlags in vielen Fällen nicht wehrt und sobald er einmal in unserer Angriffskette gefangen ist, keine Chance auf Entkommen hat. Die künstliche Intelligenz der Gegner kann sich auch nicht richtig entscheiden, wie sie mit uns vorgehen möchte. Greifen wir zum Beispiel eine Moorwespe an, attackieren uns ihre Artgenossen aus der Ferne mit gezielten, giftigen Schüssen. Wenn wir allerdings ein Skelett mit abgestimmten Angriffskombinationen zurückdrängen, greifen uns dessen untote Verwandte von hinten an. Allerdings schlagen sie immer ins Leere, da sich die Position des Helden in der Zwischenzeit verändert hat. Andere Taktiken versuchen die Gegner niemals.

Kollisionskurs

Das Kampfsystem ist aber nicht nur wegen der künstlichen Gegnerintelligenz unausgereift, auch ist die Kollisionsabfrage zwischen dem Feind und unserem Helden hin und wieder fraglich. Weichen wir dem Schwerthieb eines feindlichen Banditen aus, sehen wir auf unserem Monitor deutlich, dass sich unser Held gerade noch rechtzeitig aus der Affäre gezogen hat. Das Spiel registriert in einigen Fällen unsere Bewegungen allerdings anders und brummt uns stattdessen dennoch einige Schadenspunkte auf, was im schlimmsten Falle zum Tod der Spielfigur führt. Wir fragen uns, ob Spellbound auf diesem Wege Latenzzeiten eines Online-Rollenspiels künstlich kopieren wollte. Wer mit Pfeil und Bogen in den Kampf ziehen möchte, braucht den Höhenverlust des Pfeils ebenfalls nicht zu berechnen – dieser trotzt allen physikalischen Gesetzen und fliegt schnurstracks auf das gewünschte Ziel. Interessant ist auch die Mentalität der Inselbewohner. Werden wir von Monstern während einer Flucht verfolgt und locken diese in die Nähe freundlich gesinnter Personen, sind wir weiterhin auf uns allein gestellt – helfen tun uns die Leute nicht, sie registrieren die Feinde nicht einmal. Doch es gibt auch noch etwas Positives zu dem Kampfsystem zu sagen. Tränke können nun ohne langatmige Verzögerung einer lahmen Animation eingenommen werden – mit sofortiger Wirkung. Eine deutliche Verbesserung gegenüber den vorher gegangenen Serienablegern. Das war es aber auch schon mit Lobeshymnen über das Kampfsystem.

Schlummernde Talente

Rollenspieltypisch erhalten wir für besiegte Feinde und das Erledigen von Quests Erfahrungspunkte. Diese werden sehr übersichtlich auf einem Balken am unteren Bildschirmrand angezeigt, wie man es von berühmten Online-Rollenspielen wie Der Herr der Ringe Online her kennt. Das ist eine nette Spielidee und ermutigt dauerhaft zum Erfüllen von Aufträgen und Monsterkloppen. Für jeden Stufenaufstieg erhalten wir drei Fähigkeitspunkte, die wir auf bestimmte Talentpfade wie Präzision oder Vitalität verteilen dürfen. In der Regel verbessern diese Punkte nur einen Anstieg der Nahkampfkraft, der maximalen Lebensenergie oder der Manaregeneration. Alle paar Talentstufen dürfen wir uns auch für neue Fähigkeiten entscheiden. Während der alte Protagonist noch zu einem Lehrer pilgern durfte, der ihm das neue Talent vermittelt, ruhen diese Fähigkeiten anscheinend noch im Körper des Helden und wollen nur frei geschaltet werden. Das hat nur noch wenig mit einer einst traditionsreichen Rollenspielserie zu tun.

Ein Männlein steht im Walde

Zaubersprüche sind im Übrigen auch selten geworden. Es gibt nun mehr einen Pfad des Feuers, des Eises und des Blitzes. Magie lässt sich wie die oben beschriebenen Talente ausbauen. Das klingt zwar in Bezug auf gewonnener Erfahrung logischer, lässt Möchtegernmagier aber dumm aus der Wäsche schauen, sofern sie Wert auf eine große Zauberbibliothek legen. Man hat sich außerdem dazu entschieden, die Spielreihe mit Arcania: Gothic 4 an vielen Ecken und Enden zu entschlacken. Man kann sich zwar (wenn man diese Möglichkeit im Optionsmenü einschaltet) in Betten legen, an den Alchemietisch stellen oder in der Schmiede rumhantieren, doch einen wirklichen Sinn und Zweck hat das nicht. Das Handwerksystem ist nun von jedem Ort und zu jeder Zeit auswählbar. Wenn man mitten im Wald steht und dringend ein neues Schwert benötigt, kann man dieses mit zwei, drei Klicks ins Inventar befördern (vorausgesetzt wir haben das Rezept zur Erschaffung der Waffe gelernt und die nötigen Rohstoffe bereits gefunden). An dieser Stelle würden wir uns sehr über eine Skizze von Spellbound freuen, wie der Held aus seinem imaginären Rucksack einen Amboss samt Esse und Schmiedewerkzeugen formt. Außerdem gehen die Nichtspielercharaktere keinem Tagesablauf nach. Sie stehen meist stumm und still an der vorgeschriebenen Position herum und legen sich nur selten auf ein Bett. Da hat sich Spellbound sicher gedacht, dass dies nur unnötiges Zierwerk wäre – dem Held ist das Schlafen und somit der Zeitüberbrückung ebenfalls verwehrt.

Der Dieb von Bagdad

Mit Realismus hat dies nur noch sehr wenig zu tun und stört unter Umständen sogar Rollenspielneulinge. Diese werden sich auch nicht wundern, dass man keinen einzigen der Nichtspielercharaktere Schaden zufügen kann, sofern es das Spiel nicht vorgibt. Man kann nicht mehr den glitzernden Schild eines Kriegers bewundern und ihm diesen mittels Kampf abnehmen. Ebenso bleiben viele verschlossene Türen verschlossen, sofern man nicht den passenden Schlüssel hat. Dietriche gibt es bis auf eine Ausnahme nicht. Bereits nach wenigen Spielstunden erhalten wir das Objekt und können fortan verschlossene Truhen öffnen. Das wird über ein nettes Minispiel absolviert, aber da der Dietrich unzerstörbar ist, hat man auch hier unendlich viele Versuche. Wer jetzt hofft, dass das Minispiel dafür anspruchsvoller ist, der irrt sich. Bereits nach zwei, drei Versuchen hat man den Dreh raus und langweilt sich. Hier wäre etwas mehr Abwechslung angebracht gewesen. Wenn wir in fremden Häusern Gegenstände vom Tisch klauen oder Truhen plündern, werden wir ebenfalls nicht bestraft. Man kann sogar Objekte eines Händlers stehlen und ihm diese im Anschluss verkaufen – den Betrogenen stört das nicht.

Wunderschöne Welt

Als wir uns damals die Demoversion angeschaut haben, waren wir vom Stil des Spiels nicht sonderlich begeistert. Der Aufbau von Feshyr ließ zu wünschen übrig und machte den Eindruck, dass man sich noch mehr von Piranha Bytes entfernen wolle. Während wir endlich über Argaan wandern konnten, legte sich der Eindruck größtenteils. Orte wie Tooshoo hätte Piranha Bytes zwar nur mit geringer Wahrscheinlichkeit entworfen, doch ergeben alle Örtlichkeiten auf Argaan ein stimmiges Gesamtbild. Stewark, die Silbersee-Burg und schlussendlich Thornaria erwecken jeweils einen anderen, mittelalterlichen Eindruck und werden gekonnt mit stimmigen Vegetationsstufen abgetrennt. In dieser Hinsicht hat uns Arcania: Gothic 4 wirklich sehr, sehr gut gefallen. Da stört es nur wenig, dass Heilpflanzen, Kronstöckel oder Ogerblätter oftmals nur in kleineren Gruppen wachsen. Einzig allein, dass die Welt sehr, sehr künstlich in unterschiedliche Spielabschnitte gegliedert ist, schmälert diesen recht positiven Eindruck. In den letzten Jahren haben wir definitiv kein schöneres Rollenspiel erlebt, dass so stimmungs- und eindrucksvoll mit abwechslungsreichen Umgebungen auftrumpfen konnte. Komischerweise wurde die Stadt Settarif nicht ins Spiel implantiert – diese hätte mit Sicherheit einen weiteren (optischen) Höhepunkt geliefert. Allerdings stören hin und wieder magere Animationen und spärliche Effekte das Gesamtbild. So setzt zum Beispiel der Regen jedes Mal von einer Sekunde auf die andere ein. Bei einem Spiel im Jahre 2010 darf das nicht passieren, vor allem wenn es bei den Vorgängern deutlich glaubhafter geregelt war. Sogar der animierte Himmel sah schon bei Gothic 3 eindeutig besser aus.

Rosenkranzbeten

Für die ersten Gothic-Titel war der Komponist Kai Rosenkranz zuständig. Dieser erfüllte die Gothic-Welt mit einer ganz besonderen Atmosphäre, wie man sie aus Spielen nur selten kennt. Man konnte deutlich merken, wie viel Herzblut in seine Werke floss. Für den neuen Teil waren andere Musiker für die musikalische Ausgestaltung verantwortlich. Bei wenigen Titeln des Soundtracks kamen diese auch nahe an die Bravour eines Kai Rosenkranz heran. Größtenteils schlagen die Komponisten aber auch hier andere Wege ein, was aber nicht wirklich negativ auffällt. Wer schon einmal durch Argaans tropischen Dschungel wanderte, wird nicht von der Hand weisen können, wie gut Akustik und Optik hier zusammen arbeiten, um ein stimmiges Gesamtbild zu ergeben. Um das ganze Zusammenspiel perfekt zu machen, wurden für die bereits bekannten Charaktere die alten Sprecher engagiert. So spricht Christian Wewerka auch in Arcania: Gothic 4 König Rhobar III. Selbiges gilt auch für Gorn und den Rest der Bande. Der Held des Spiels wird übrigens von Gerrit Schmidt-Foß gesprochen, welcher unter anderem die TV-Serienfiguren Hurley Reyes (Lost) und Michael Scofield (Prison Break) synchronisierte.

Nichts ganzes, nichts halbes

Arcania: Gothic 4 ist ein deutlich entschlackter Nachfolger einer sehr beliebten Serie. Böse Zungen behaupten, was Piranha Bytes einst geschaffen hat, wurde jetzt von Spellbound zerstört. Man muss diesen Menschen leider Recht geben. Man wusste bereits im Vorfeld, dass unter der Flagge eines neuen Entwicklers auch etwas anderes herauskommt, aber mit solchen starken Veränderungen hat wohl selbst der härteste Gothic-Anhänger nicht gerechnet. Größter Schwachpunkt ist wohl die geschlossene Spielwelt. Das Spiel sieht es einfach nicht vor, an unerforschte Gebiete zu reisen, sofern man noch nicht alle wichtigen Aufgaben des aktuellen Areals absolviert hat. Dieses Spektakel wird von kaum vorhandenen Nebenaufgaben untermauert, die sowieso fast immer nach dem gleichen Schema ablaufen. Intelligente Quests sucht man vergebens, ebenso charakterstarke Persönlichkeiten. Kampf- und Handwerksystem weisen unserer Meinung nach noch deutliche Schwächen auf – selbst auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad gibt es noch einige Ungereimtheiten, die in einem ernsthaften Rollenspiel im Jahre 2010 nicht auftreten dürften. Dafür entschädigt das Spiel mit einer größtenteils schönen Optik, angenehmen akustischen Untermalungen und einer recht spannend erzählten Handlung. Trotzdem eignet sich der Titel aufgrund der geringen Komplexität und Anspruchslosigkeit vor allem an Rollenspielneulinge. Vielfältige Optionsmöglichkeiten bieten Komfort und richten sich praktisch an jeden Spielertyp. So darf eine Minimap inklusive Quest-Markierungen angezeigt werden lassen und sogar der Farbstil des Spiels geändert werden. Je nachdem ob man also den bunten, amerikanischen oder den dunklen, europäischen Stil bevorzugt, man wird definitiv glücklich mit allen Einstellungsmöglichkeiten. Gothic-Fans freuen sich dafür über Kämpfe gegen beliebte Monster wie Scavenger oder Schattenläufer, sowie über das Treffen mit alten Bekannten wie Diego und Co. Denn dies sind die einzigen Überbleibsel, die noch einen Hauch von Gothic in diesem Spiel erkennen lassen.

Geschrieben von Eric Ebelt

Erics Fazit (basierend auf der PC-Fassung): Als ich die Demoversion gespielt hatte, graute mir schlimmes. Was hat Spellbound nur aus meiner liebsten PC-Rollenspielserie gemacht. Meine Befürchtungen hatten sich leider bewahrheitet. Ich vermisse an allen Enden und Ecken den spielerischen Anspruch. Warum darf ich Gegenstände ohne Konsequenzen stehlen? Warum darf ich meinem Mitmenschen nicht aufs Maul hauen oder ihnen den Geldbeutel stibitzen? Warum kann ich mich zwar in ein Bett legen, aber nicht schlafen? Diese und mehr Fragen stelle ich mir immer wieder, denn mit der auf der Packungsrückseite versprochenen „lebenden und atmenden mittelalterlichen Welt“ hat dies überhaupt nichts zu tun. Als ehrlicher Käufer fühlt man sich dann schon etwas über den Tisch gezogen – lustig ist auch, dass das Spiel mit positiven Kommentaren der Zeitschrift GameStar und PCAction wirbt, welche aber circa ein halbes Jahr alt sind. Obwohl das Spiel für mich als erfahrener Rollenspieler deutliche Defizite in den Punkten Glaubhaftigkeit und Gameplay aufweist, finde ich die grafische Brillanz des Titels einfach nur umwerfend. Kein Rollenspiel der Welt war für mich bis Dato schöner anzusehen. Auch der Soundtrack passt zu jeder einzelnen Szene im Spiel und stört niemals. Außerdem gefällt mir die Handlung sehr, sehr gut. Angefangen vom schwachen Schafhirten, der Rache für seine Freundin nehmen möchte bis zur Anerkennung als Auserwählter ist so ziemlich alles dabei, was man sich von einem Rollenspiel wünschen kann. Mir hat besonders das Ende sehr gut gefallen, wenn man von der nahezu endlos scheinenden Anzahl der Feinde absehen mag. Wer den – für ein Gothic-Spiel endlich mal herausfordernden – Endboss besiegt hat, wird mit einigen offenen Fragen für etwaige Add-Ons oder Nachfolger zurückbleiben – als TV-Serienfanatiker freut man sich eben über Cliffhanger. Nochmals werde ich den Titel in absehbarer Zeit jedenfalls nicht spielen. Das Testen hat mir zwar deutlich Spaß gemacht, aber wenn man sich die überwiegenden Nachteile des Spiels ansieht, bekommt man eher Lust ältere Teile der Reihe zu spielen. Unerfahrenen Rollenspielern könnte ich aktuell aber kein besseres Rollenspiel empfehlen. Trotzdem gilt für mich weiterhin: Nur wo Piranha Bytes draufsteht, steckt auch wirklich Gothic drin, selbst wenn das Spiel Risen heißt.

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Vielen Dank an Jowood für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

2 Kommentare zu “Review: Arcania: Gothic 4

  1. Das Spiel ist lächerlich, die Weltgröße ist ein Witz und das ganze herausgenommene und im nachhinein hinterher geschmeiße ala Addon oder DLC eine Frechheit. Spart lieber euer Geld. Das Spiel hat nichts mit Gothic geschweige den mit ein Rollenspiel zutun.

  2. quote: Trotzdem gilt für mich weiterhin: Nur wo Piranha Bytes draufsteht, steckt auch wirklich Gothic drin, selbst wenn das Spiel Risen heißt.
    /quote

    meine Rede. Freue mich schon auf Risen !! mal gucken, ob man da noch Gothic 4 findet.

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